Es gibt immer ein erstes Mal. Eine Kundin trat an mich heran, ob ich nicht auch Kindergartenfotografie anbieten würde. Ich überlegte, kalkulierte, erstellte ein Angebot und dachte. Klar, wer Kinder mag, muss Kindergärten lieben, also, los geht’s! Ich setzte mich unter Mitbewerbern durch – und freute mich. Natürliche Kindergartenfotografie bot ich an, ich wies auf meinen Stil hin und der Elternbeirat mochte mich. Mit viel Liebe zum Detail plante ich das Fotografieren im Kindergarten, erstellte mit meinem Mann zusammen nächtelang geeignete Mappen, verglich USB – Sticks und Preise, druckte Infoblätter, schrieb Texte für Beileger und Briefe an die Eltern, schaute mir zuvor die hübsche Wiese hinterm Kindergarten mit dem Kirschbäumchen an, und platzierte in Gedanken schon die Kinder auf dem hohen Gras. Ich wollte es richtig machen, und richtig schön.
Als ich dann zum Termin kam, war statt der saftigen hohen Wiese leider ein abgemähtes Stoppelfeld und ich war sehr froh, im Auto noch meinen kleinen Kinderstuhl sowie mein Kinder-Zelt zu haben, womit ich aus der braunen Wieso noch irgdnwas machen konnte. Natürlich hin oder her – das hätte einfach nur trostlos ausgesehen, finde ich. Das Fotografieren war anstrengend, weil warm, aber lief soweit reibungslos. Hier und da wollte mal ein Kind nicht lächeln, aber mit ein paar gezielten Fragen war das meist auch okay. Ein Kind länger zu „quälen“ wollte ich aber auch nicht, und ich selbst will auch nicht auf Kommando lachen. Manche Erzieherinnen wollten sich schließlich auch nicht fotografieren lassen. Dann muss das von Kindern auch nicht erwarten.
Ich verbrachte Abende mit dem Sortieren der Kinder in die Mappen, mit dem Zuordnen von Gesichtern zu Gruppenbildern, steckte wie immer (zu viel!) Liebe ins Detail, bis ich die Bilder dann stolz im Kindergarten abgab.
Ich hatte später Anrufe und Nachrichten und Bestellungen für USB Sticks von sehr lieben Mamas, die begeistert von den Bildern waren. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Aber es gab eben auch die andere Seite. Ich habe ja einige Bekannte hier und dort im Kindergarten sitzen, da bekommt man schon einiges mit, obwohl ausdrücklich in den Mappen steht, dass man mich zu Fragen / Kritik kontaktieren soll sind das natürlich nur Aussagen, die man über den Kindergarten-Flurfunk „hintenrum“ mitbekommt. Manchen gefiel mein Stil nicht, der Hintergrund sei zu unscharf, die Köpfe abgeschnitten (übersetzt heißt das wohl, dass ich Gesichter angeschnitten habe, was eine Frage des Stils und der Bildwirkung ist, aber ich muss mich diesbezüglich ja nicht rechtfertigen, die einen mögen’s, die anderen nunmal nicht) – oder die Farben zu warm.
Tja, was soll ich da sagen? Es ist klar, dass man es nicht allen recht machen kann, aber schade, dass man beim eigenen Geschmack eben oft nicht verstehen kann, dass es anderen gefallen könnte. Es ist einfach unmöglich, 72 (?) Elternpaare zufrieden zu stellen. Wer natürliche Bilder möchte, sollte keine Studioaufnahmen mit Blende 11 erwarten. Klar, jeder erwartet und sieht unter einem Begriff etwas anderes. Das kann ja irgendwie auch nur schiefgehen, bei aller Liebe zum Detail und für herzige Kindergesichter, die ich auch grummelnd oder skeptisch hübsch fand, und auch von den Erzieherinnen hörte: Genau so ist er / sie eben! Und ich persönlich shee mein Kind am liebsten so, wie es ist… Und nicht wie ein Werbemodel für Zahnpasta. Aber auch hier sind Erwartungen und Mäglichkeiten eben zwei unterschiedliche Dinge. Am meisten geschimpft oder unglücklich waren leider die Eltern, für die ich extra viel Zeit investiert habe. Weil nicht alle Fotos dabei waren. (wie gesagt, es gab die Option, den USB Stick zu kaufen. Manche bekamen 1-2 Bilder mehr, weil ich sie kannte, oder sie mir Nachmittags ein Eis brachten oder die Kinder so lieb waren, aber da wurde natürlich auch gemeckert, wenn man eben KEIN Geschenk bekommen hat. Also bleibt gar keine andere Möglichkeit, als dass ich es falsch mache.
Dieses Feedback erreichte mich übrigens einen Tag, nachdem ich beim Contest der Vereinigung deutschsprachiger Kinderfotografen 2x in den Top 10 und 1x in den Top 20 platziert wurde. Ganz so schlimm scheint es also doch nicht um meine Arbeit bestellt sein. Nicht, dass ich daran gezweifelt hätte, aber natürlich macht so ein Gerede schon traurig, gerade wenn man so viel Leidenschaft hineingesteckt hat.
Tja, was soll ich sagen? Nein, ich hatte ja auch einige positive Rückmeldungen. Also prinzipiell erreichten mich persönlich NUR die positiven Nachrichten, die mich sehr gefreut haben. Aber man befasst sich natürlich in erster Linie mit dem Negativen. Nächstes Mal vielleicht einen Kontaktabzug dazu legen mit den Bildern, die ich pro Kind noch habe. Das sind für mich in dem Fall aber auch 75 Drucke mehr, die ich preislich wieder aufschlagen muss. Und schon bin ich wieder „viel zu teuer“. Nächstes Mal, nächstes Mal. Ich habe überlegt, wieso eigentlich? Wieso tu ich mir das an? Es ist klar, dass ich es nicht allen recht machen kann, und genau das will ich nicht.
Es ist doch so: Eltern, die ihre Kinder normalerweise von mit fotografieren lassen, zahlen gerne (!) das 10-fache. Nicht weil ich so irre teuer bin, sondern weil der Kindergarten so irre billig war. Denn das ist ja klar, genommen wird nur der Fotograf, der spottbillig ist, und dazu auch noch traumhafte Bilder anbietet. Jedenfalls: Kunden, die mich für „große“ Shootings buchen, beschweren sich nie, dass ich zu lang, zu kurz, zu komische Posen oder sonst was von ihnen wollte. Für die nehme ich mir Zeit, die es braucht, ihre Kinder natürlich zu erwischen. In Ruhe. Ohne andere oder gar wartende / tratschende Eltern vor ihnen, sondern ausgelassen und spielend, fröhlich und nicht mit dem Kommando „lach doch bitte, bitte mal, dann gibt’s auch ein Eis“. Kinder sind keine Maschinen und ein ehrliches Lachen kann man nicht erzwingen. Schon gar nicht, wenn man 80 Kinder an 2 Tagen durchfotografiert und eben keine halbe Stunde pro Kind Zeit hat. Auch wenn die Fotografin das im Jahr zuvor wohl so gemacht hat – dann hätte ich andere Preise berechnen müssen, und wieder andere <Eltern dadurch benachteiligt. Ihr seht, ich bin zum Entschluss gekommen, dass man es nicht richtig machen kann.
Die Eltern, die zu mir kommen, weil sie MICH, meinen STIL und meine Bilder wollen, die zahlen den vollen Preis und sind danach immer (!) zufrieden, weil sie sich vorab mit mir und meiner Arbeit befasst haben, Bilder angesehen haben, meinen Stil kennenlernen wollten. Wieso also sollte ich mich künftig weiterhin wieder vor fremde Kinder knien, deren Eltern das vielleicht gar nicht so wollen, bei 35 Grad im Schatten, sie Spaghettiiii sagen lassen, damit die Eltern die Grinse Bilder bekommen die sie erwarten, so sehr ich auch „natürlich“ auf meine Flaggen schreibe und überhaupt keine Kommandos zum lachen geben möchte?
Natürliche Kinderfotografie und Kindergartenfotografie lassen sich nicht vereinen. Und es lassen sich nicht alle Eltern mit einem Stil zufrieden stellen.
Eben. Es ist halt, wie bei allem auf der Welt, Geschmackssache. So wie ich keine Bilder vor blaumarmorierten Hintergrundstoffen anbiete, so gefällt das aber halt dem einen oder anderen. Was das mit den einzelnen macht, wenn man seinen persönlichen Geschmack als „gut“ und alles darum herum als „schlecht“ ansieht, ahnen wohl nur die wenigsten.
natürliche Kinderfotografie braucht Zeit, Geduld, Platz und Spaß.
Ich habe anschließend einen weiteren Kindergarten fotografiert, dieses Mal bei 39 Grad im Schatten 😉 Die Organisation lief durch die Leitung und nicht den Elternbeirat, ich hatte das Gefühl, alle freuten sich auf die Bilder, von Kindern bis zu den Erzieherinnen, die es zum Teil kaum erwarten konnten fotografiert zu werden. Die Bilder habe ich nun erst ganz frisch abgegeben und die Resonanz wird mich erst in den nächsten Tagen treffen. Die Erzieherinnen schienen jedoch mit dem Ergebnis zufrieden und ich hörte nicht nur einmal „ganz anders, aber toll!“. Was die Eltern zu sagen haben, werde ich erst in den kommenden Tagen sehen.
Aber für mich steht leider so oder so schon fest: Ich biete wohl keine Kindergartenfotografie mehr an. Es war ein Versuch und ich finde, ich habe das richtig gut gemacht, aber es tut mir nicht gut. Wie man es macht, bleibt irgendjemand auf der Strecke – für die einen der Stil, für die anderen der Preis, für wieder andere der Hintergrund oder fehlende Klebebildchen und Schlüsselanhänger-Gimmicks, die es bei mir nunmal niemals geben wird, weil ich von diesem Kitsch eben nichts halte.
Ich kann nur an alle Eltern apellieren: Fragt vielleicht erstmal den Fotografen nach dem, was dahintersteckt, wenn ihr mit etwas unzufrieden seid. Nutzt die Gelegenheit, ihm persönlich zu sagen, was euch nicht gefällt, damit er es besser machen kann, anstatt nur zu tratschen. Habt Verständnis und erwartet keine eierlegende Wollmilchsau oder durch eine Fremde erstellte, natürlich aber schön herzlich lachende Fotos eines fremdelnden 3 jährigen in 2 Minuten für unter 10€, dazu Geschenke, aber nur für die richtigen Personen, eine kühle Brise und keine Sonne – das geht nämlich schlichtweg nicht, auch wenn sich der Fotograf sicher bemüht hat, Euch alle glücklich zu machen.
Natürliche Kinderfotografie. Kind lacht nicht, grinst nicht in die Kamera, ist aber das, was es ist: Ein zufriedenes Kind.
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